Titelgrafik - Deutschland Import Energie

Der Preis unserer Energie

Titelgrafik - Deutschland Import Energie

Deutschland ist aktuell auf Energieimporte angewiesen. Wie beeinflusst diese Abhängigkeit die Energiepreise? Und wie teuer wäre eine Unabhängigkeit?



Der Angriffskrieg auf Ukraine ist eine humanitäre Katastrophe, Bilder von Geflüchteten und von zerbombten Städten, die Geschichten von Betroffenen berühren Europa. Und doch finanziert Deutschland weiterhin mit knapp 700 Millionen € täglich die russische Kriegsführung. [1] Das führt uns die Probleme bisheriger Energiepolitik vor Augen. Und verlangt nach Lösungen. Die Technologien, die zur Unabhängigkeit nötig sind, existieren hingegen schon.

Wie abhängig ist Deutschland?

Die Energieabhängigkeitsquote wird angegeben als der Prozentsatz an Energie, die importiert wird. [2] Mineralöl und Erdgas machen zusammen fast 60 % des deutschen Primärenergieverbrauchs aus. Und beide werden zu über 90 % importiert, denn Deutschland selbst hat nicht die Ressourcen , um sich mit diesen Mengen an fossilen Brennstoffen aus eigenen Vorkommen zu versorgen. Einzig bei Braunkohle und Erneuerbaren Energien deckt Deutschland seinen Verbrauch aus eigenen Vorkommen bzw. eigener Produktion. Erneuerbare Energien deckten in 2021 ca. 16 % des deutschen Primärenergieverbrauchs. [3]

EnergieträgerImportquoteAnteil am Primärenergie- verbrauchAnteil an der Bruttostrom- erzeugung
Mineralöl98.1%32.3%0.8%
Erdgas95.0%26.8%15.2%
Steinkohle100.0%7.5%11.3%
Braunkohle-2.3%9.2%18.8%
Uran100%5.9%11.3%
Erneuerbare Energien0.1%15.9%39.7%
Deutschland Energieimporte 2021. (Quelle: Zusammengestellt aus dem AGEB Jahresbericht für 2021).

Den mit Abstand den größten Anteil seiner Energieimporte bezieht Deutschland aus Russland. 35 % des Energieverbrauches auf Basis von Öl stammten 2021 aus russischen Importen, bei Gas war die Abhängigkeit mit 55 % am höchsten. [4] Dadurch liegt eine gewisse wirtschaftliche und politische Abhängigkeit von Russland vor. Innerhalb der letzten Monate wurde diese Abhängigkeit verringert, bei Öl auf etwa 12 % und bei Gas lag der aus Russland importierte Anteil zum Ende des 1. Quartals noch bei ca. 35 %. [5] Laut einer IW Studie könnte Deutschland ein Aussetzen der russischen Gaslieferungen zumindest kurzfristig ausgleichen. [5]

Die Auswirkungen der Abhängigkeit

Die Sorge vor verstärkter Abhängigkeit ist auch einer der Gründe, warum die ursprünglich geplante Pipeline Nord Stream 2 in der Kritik stand, die nun im Zuge der Sanktionen gegen Russland nicht in Betrieb genommen wird. [6] Die Auswirkungen zeigen sich insbesondere mit Blick auf Ukraine. Diese dient derzeit noch als Transitland für ca. 40 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr, welche aufgrund der Pipeline inklusive der daran hängenden Einnahmen weggefallen wären. [6] Auch von Umweltverbänden wurde bereits lange gefordert, das Projekt aufzugeben – denn für ein Erreichen des 1,5 ° Ziels wird die Pipeline nicht benötigt und dürfte höchstens wenige Jahre im Einsatz bleiben. [7]

Deutschland Energieabhängigkeit Russland
Entwicklung der Importe aus Russland. (Quellen: Bundesregierung und zweiter Fortschrittsbericht Mai 2022)

Die politisch unsichere Situation im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg auf Ukraine, Angst vor Lieferausfällen sowie fehlende Abnehmer für russisches Öl im Zuge der Sanktionen gegen Russland führten in den vergangenen Monaten zu extremen Preissteigerungen. Und nicht nur die Preise für Öl und Gas sind gestiegen. Auch die Strompreise begannen bereits zu steigen, sobald sich die Wirtschaft nach der ersten Corona Welle zu erholen begann. [8] Ausschlaggebender Faktor dabei: wie die Grafik unten zeigt, folgt der Strompreis nahezu proportional dem Gaspreis. [9]

Entwicklung Strompreis 2022
Entwicklung der Strompreise 2022 (Quelle: efi-net)

Das liegt an der sogenannten Merit-Order. Dies ist die Reihenfolge, mit der Kraftwerke in der Strompreisbildung berücksichtigt werden. Der Strompreis an der Börse wird durch das jeweils teuerste Kraftwerk bestimmt, das noch notwendig ist, um die Nachfrage zu decken. Kombinierte Gas- und Dampfturbinen bestimmen an den meisten europäischen Strombörsen den Strompreis, weshalb der Strompreis derart stark vom Gaspreis abhängt.

Entwicklung Strompreis 2022
Entwicklung der Gaspreise 2022 (Quelle: efi-net)

Die Energieabhängigkeit Deutschlands sorgt also dafür, dass wir den schwankenden Preisen des Marktes ausgeliefert sind, dass Russland mit den Einnahmen aus Energieexporten seine Kriegsführung finanzieren kann sowie dass politische Spannungen gefördert werden.

Wege zur Unabhängigkeit

Die Grundlagen für den Weg zur langfristigen Unabhängigkeit sind gelegt: die Technologien, die wir dafür benötigen, existieren. Denn während die fossilen Vorräte in Deutschland begrenzt sind, könnte Deutschland sich aus Erneuerbaren Energien unabhängig versorgen. In ganz Europa reichen die nationalen Potenziale aus, dass sich Länder aus erneuerbaren Energien versorgen könnten (siehe auch unser Artikel zur Energiewende). [6, 3]

In der Grafik oben zeigen sich Sprünge des Strompreises nach unten (teilweise sogar ins Negative, allerdings in der Grafik nicht erkennbar). Diese lassen sich zurückführen auf Momente, in denen bereits mit erneuerbarer Energie der Bedarf gedeckt werden konnte. Durch den verstärkten Ausbau der erneuerbaren Energien könnte es also zu einer Entkopplung von Gas- und Strompreis kommen. Beim weiteren Ausbau der Erneuerbaren werden die zeitlichen Ausschläge mit einem Überangebot an Strom und sehr niedrigen Strom-Börsenpreisen deutlich zunehmen. Vor diesem Hintergrund wird zunehmend Strom zu ‘günstigen Preisen’ für die Wasserstoff Produktion verwendet werden. Damit begrenzt mehr erneuerbarer Strom gleichzeitig den Gaspreisanstieg.

Doch eine Versorgung zu 100 % aus erneuerbaren Energien ist nach Schätzungen nur mit extremem Anstieg des Ausbaus frühestens bis 2035 möglich, die meisten Schätzungen rechnen eher mit 2050. Während eine Umstellung des Stromsektors noch verhältnismäßig einfach ist, muss im Verkehrs- und Wohnsektor, wo viel Öl und Gas eingesetzt werden, zunächst einiges verändert werden. Elektrifizierung des Verkehrs oder Umstellung auf Wasserstoff sind hier Möglichkeiten, ebenso Wärmepumpen in Gebäuden usw. [10]

Eine weitere Herausforderung sind energieintensive Industrien wie die Zement- oder Stahlproduktion. Hier wird befürchtet, dass die Erhöhung des Preises für CO2 Unternehmen nicht mehr weltmarktfähig macht, denn der internationale Wettbewerb erschwert es, CO2-Kosten an Kunden weiterzugeben. Um zu verhindern, dass diese Unternehmen ihre Produktion in nicht EU-Länder verlegen, auch Carbon Leakage genannt, bekommen sie derzeit kostenlose Emissionszertifikate. Ein solches Schützen vor den Auswirkungen des erhöhten CO2-Preises kann jedoch dazu führen, dass wichtige Investitionen zur Effizienzsteigerung ausbleiben und damit langfristig auch die Wirtschaftlichkeit beeinträchtigen. Langfristig wird erwartet, dass weltweit mehr Länder sich an einem CO2 Preis beteiligen und nur Produkte mit möglichst geringen Klima-Auswirkungen marktfähig bleiben. [11, 12]

Zusätzlich haben teilweise Unternehmen zu viele Zertifikate bekommen und so aus dem Zertifikatehandel sogar Gewinne erzielt. Die Emissionen sind hingegen nicht nennenswert gesunken. Eine Lösung hierfür wäre ein CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM). Hierbei müsste für eingeführte Produkte eine Abgabe entrichtet werden, die dem CO2-Verbrauch entspricht und so den Wettbewerb auf dem EU-Markt ausgleicht. Bei weiter steigenden CO2 Preisen wäre ein solches Abkommen notwendig, um die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen zu erhalten und Carbon Leakage zu verhindern. Die Einführung des CBAM ist für 2023 geplant, ob es tatsächlich kommt, hängt jedoch noch von verschiedenen Faktoren ab. [12, 13]

Dies sind alles langfristige Ansätze, für die jedoch zur Erreichung der Klimaziele so bald wie möglich mit der Umsetzung begonnen werden sollte. Außerdem bieten sich auch kurzfristige Möglichkeiten, die Abhängigkeit von russischen Energieimporten zu reduzieren. Eine Diversifizierung von Lieferländern und Transportstrukturen erhöht die Energiesicherheit. Auch Energie zu sparen macht unabhängiger. [14, 3] Mit solchen Strategien plant die EU im Rahmen des sogenannten Öl-Embargos bis zum kommenden Jahr die Importe an russischem Öl auf etwa 10 % des aktuellen Standes zu reduzieren. Problem dabei: diese Politik steigert aktuell die Öl-Preise und kompensiert damit die verringerten Einnahmen Russlands zu erheblichen Teilen wieder. [15, 16]

Was kostet Unabhängigkeit?

Oft werden bundesweit hohe Kosten für die Energiewende befürchtet – doch langfristig gesehen ist die Energiewende für Deutschland günstiger als der aktuelle Kurs.  Und das nicht nur, wenn man den Klimawandel, seine Auswirkungen und seine Folgekosten für die Wirtschaft mit einbezieht. Die aktuell gestiegenen Gaspreise verstärken nur die hohen Kosten für fossile Energieträger. Die für die Energiewende benötigten Investitionen lägen langfristig auf einem ähnlichen Niveau wie aktuell die Kosten für Energieimporte. Langfristig könnten erneuerbare Energien europaweit zu sinkenden Strompreisen führen. [17, 9]

Die derzeit geplante kurzfristige Alternative LNG Terminals zu bauen und verstärkt Flüssiggas einzukaufen, kommt jedoch auch nicht ohne weitere Kosten aus – denn durch die verstärkte Nachfrage steigt international der Preis, sodass sich einige Schwellenländer kein Flüssiggas mehr leisten können. Die so von Deutschland aktuell geplante Unabhängigkeit von Russlands Gaslieferungen gefährdet damit die Energieversorgung anderswo. [18]

Auch wenn die Energiewende eher der langfristige Weg ist: Die Technologien existieren, eine volle Energieimport-Unabhängigkeit ist erstmals seit über hundert Jahren möglich. Erneuerbare Energieversorgung ist die Zukunft – damit wird Deutschland dann auch unabhängiger von Energieimporten. Langfristig könnten so Preissteigerungen abgefedert werden bzw. Strompreise europaweit sinken. Auch wenn dies im Zuge der Klimakrise bereits lange gesagt wurde, sollte die aktuelle mediale Präsenz im Zuge des russischen Angriffskrieges zusätzlich genutzt werden, um die Entwicklung zu beschleunigen. 


[1]  manager magazin new media GmbH & Co. KG, „660 Millionen Euro pro Tag – so finanzieren wir Putins Krieg,“ manager magazin, 08 März 2022.

[2]  Bundeszentrale für politische Bildung, „Energieabhängigkeit,“ Bundeszentrale für politische Bildung, 09 Juli 2019. [Online]. Available: https://www.bpb.de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/europa/135829/energieabhaengigkeit/. [Zugriff am 15 Juli 2022].

[3]  Umweltbundesamt, „Primärenergiegewinnung und -importe,“ Umweltbundesamt, 17 Januar 2022. [Online]. Available: https://www.umweltbundesamt.de/daten/energie/primaerenergiegewinnung-importe. [Zugriff am 15 Juli 2022].

[4]  M. Janson, „So viel Energie importiert Deutschland aus Russland,“ Statista, 26 April 2022. [Online]. Available: https://de.statista.com/infografik/27312/energieverbrauch-deutschlands-nach-energietraeger-und-anteil-der-importe-aus-russland/. [Zugriff am 15 Juli 2022].

[5]  Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, „Fortschrittsbericht Energiesicherheit,“ Berlin, 2022.

[6]  A. Fischer und M. Küper, „Russisches Erdgas: Deutschland muss bis zum nächsten Winter nachbessern,“ Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V., 23 Februar 2022. [Online]. Available: https://www.iwkoeln.de/presse/pressemitteilungen/andreas-fischer-malte-kueper-deutschland-muss-bis-zum-naechsten-winter-nachbessern.html. [Zugriff am 15 Juli 2022].

[7]  Deutschlandfunk, „Wie abhängig ist Deutschland von russischem Erdgas?,“ Deutschlandradio, 25 Februar 2022. [Online]. Available: https://www.deutschlandfunk.de/nord-stream-2-gas-kritik-abhaengig-100.html. [Zugriff am 15 Juli 2022].

[8]  Tagesschau, „Durch welche Pipelines kommt das Gas?,“ Norddeutscher Rundfunk, 08 März 2022. [Online]. Available: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/gaspipelines-kapazitaeten-101.html. [Zugriff am 15 Juli 2022].

[9]  P. Freiwah, „Ukraine-Krieg: Preise von Öl und Gas explodieren: Die Gründe und wie es weitergeht,“ Merkur, 11 März 2022. [Online]. Available: https://www.merkur.de/wirtschaft/ukraine-news-aktuell-krieg-benzinpreis-diesel-e10-liefer-stopp-russland-erdgas-energiekosten-ursachen-zr-91394926.html. [Zugriff am 15 Juli 2022].

[10]  e-fundresearch.com AG, „DWS Chart der Woche: CO2-Preis ist nicht Schuld am hohen Strompreis,“ e-fundresearch.com AG, 11 Oktober 2021. [Online]. Available: https://e-fundresearch.com/newscenter/173-dws/artikel/42340-dws-chart-der-woche-co2-preis-ist-nicht-schuld-am-hohen-strompreis. [Zugriff am 15 Juli 2022].

[11]  Quarks, „Wann wir endlich … unseren Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen beziehen,“ Westdeutscher Rundfunk Köln, 05 Mai 2022. [Online]. Available: https://www.quarks.de/technik/energie/wann-wir-endlich-unseren-strom-zu-100-prozent-aus-erneuerbaren-quellen-beziehen/. [Zugriff am 15 Juli 2022].

[12]  S. de Bruyn, C. Jongsma, B. Kampmann, B. Görlach und J.-E. Thie, „Energy-intensive industries – Challenges and opportunities in energy transition,“ Policy Department for Economic, Scientific and Quality of Life Policies, Luxemburg, 2020.

[13]  S. Dröge, „Ein CO2-Grenzausgleich für den Green Deal der EU – Funktionen, Fakten und Fallstricke,“ Stiftung Wissenschaft und Politik, Berlin, 2021.

[14]  H. Koberstein, „Industrie profitiert von Emissionshandel,“ ZDF, 05 Oktober 2021. [Online]. Available: https://www.zdf.de/nachrichten/wirtschaft/industrie-emissionshandel-co2-100.html. [Zugriff am 15 Juli 2022].

[15]  C. Lutz, U. Lehr, L. Becker und B. Breitschopf, „Vorteile der Energiewende über die gesamtwirtschaftlichen Effekte hinaus – eine literaturbasierte Übersicht,“ Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung, Osnabrück, 2018.

[16]  Tagesschau, „Ein Gipfel, ein Embargo und viel Enttäuschung,“ Norddeutscher Rundfunk, 31 Mai 2022. [Online]. Available: https://www.tagesschau.de/ausland/eu-oel-embargo-scholz-101.html. [Zugriff am 15 Juli 2022].

[17]  F. Frick, „Klimaneutralität klar kalkuliert,“ Forschungszentrum Jülich, [Online]. Available: https://effzett.fz-juelich.de/3-19/klimaneutralitaet-klar-kalkuliert. [Zugriff am 15 Juli 2022].

[18] T. Sabin, „Wenn wir uns retten, geht in anderen Ländern das Licht aus“ FOCUS-online [Online]. Available: https://www.focus.de/finanzen/lng-tanker-wenn-wir-uns-retten-sitzen-andere-staaten-im-dunkeln_id_131245463.html. [Zugriff am 10 August 2022].


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