Biomasse wird häufig als Alleskönner der erneuerbaren Energien gepriesen. Sie lässt sich lagern und wird damit als Möglichkeit des Ausgleichs fluktuierender Erzeugung aus Sonne und Wind angesehen. Außerdem ist sie umwandelbar zu Biokraftstoff und dadurch beispielsweise dort einsetzbar, wo die Verwendung von Strom direkt nicht möglich ist. [1] Die Klimabilanz von Biomasse haben wir in unserem letzten Artikel bereits kurz angerissen. Hier wollen wir dieses Thema vertiefen und insbesondere den Zusammenhang zwischen Biomasse, Humus und Klimakrise untersuchen. Denn der Anbau von Biomasse hat Auswirkungen auf den Boden – und dort sind mehrere tausend Milliarden Tonnen Kohlenstoff gespeichert. [1]
Humus und das Klima
Weltweit ist mehr Kohlenstoff in den obersten Bodenschichten gebunden als in Atmosphäre und Vegetation der Erde zusammen. [1] Humus kann also als wichtiger Baustein zum Klimaschutz genutzt werden, indem er als CO2-Senke fungiert. Durch eine Anreicherung um 0,4 Prozent pro Jahr könnte nach Berechnungen des Agrarforschungsinstituts INRA sogar das Wachstum der globalen CO2 Emissionen kompensiert werden. [1] Gleichzeitig birgt eine Verschiebung des Gleichgewichtes in die andere Richtung das Risiko, dass CO2 freigesetzt wird. Dies geschieht zum Beispiel durch anthropogene Landnutzungsänderungen wie Grünlandumbruch, Abholzung von Wäldern oder durch Entwässerung organischer Böden. Anstelle von Humus verschiebt sich das Gleichgewicht zum atmosphärischen CO2. [2, 3, 4]
Wälder, die gewöhnlich als CO2 Senke fungieren, speichern dann weniger CO2, die Senke wird kleiner. Bei Acker- und Grünland wird durch die Verschiebung die freigesetzte Menge an Treibhausgasen größer. Organische Böden waren 2019 für 16,5 Mio. t freigesetzte CO2 Äquivalente verantwortlich. Seit 1990 sind die Emissionen aus Ackerland um ca. 23 % angestiegen.
Was ist Humus?
Humus bezeichnet die abgestorbenen Pflanzenteile, die im Boden durch Mikroorganismen abgebaut werden. Derzeit wird der Abbau von Humus durch das “Soil Continuum Model” erklärt. Nach diesem wird die organische Substanz vom Bodenleben grundsätzlich fortwährend abgebaut. Doch kann sich unter günstigen Bedingungen der Humus im Boden anreichern und damit sozusagen gespeichert werden. Teilweise kann die Lebensdauer der organischen Bodensubstanz auf Jahrhunderte verlängert werden. [8]
Zwei Mechanismen sind dafür von Bedeutung, die den Humus vor weiterem Abbau durch die Bodenorganismen schützen. Einerseits können Moleküle, die an Tonmineralen haften, schwerer vom Bodenleben zersetzt werden. Andererseits bilden insbesondere Böden mit hohem Lehmanteil und einem gesunden Bodenleben eine krümelige Struktur aus, sogenannte Bodenaggregate. Innerhalb dieser sind die Poren eng und schränken den Transport von Sauerstoff, Nährstoffen, Wasser und Stoffwechselabfällen ein. Die Mikroorganismen fahren ihren Stoffwechsel herunter, sodass der Abbau des Humus innerhalb der Aggregate verlangsamt ist. [8] Der Anteil von Ton im Boden hat also einen Einfluss auf die Fähigkeit, Humus zu speichern, genauso wie ein gesundes Bodenleben. Sandböden speichern dadurch weniger Humus, da ihr Tonanteil geringer ist als der von Lehmböden. [6]
Auswirkungen der Landwirtschaft
Landwirtschaftliche Bodennutzung hat Auswirkungen auf die Bodenzusammensetzung. Schätzungen zufolge verliert in gemäßigten Breiten der Boden während der Bearbeitung ca. 30-50 % des Kohlenstoffgehaltes innerhalb von 50 Jahren. [1] Ein Verständnis für Mechanismen des Humusaufbaus erklärt, warum einige Praktiken eher zur Anreicherung von Humus oder eher zur Freisetzung von CO2 führen. Im Rahmen der Produktion von Nahrung, Futtermitteln und Energiepflanzen wird Biomasse vom Acker entnommen anstatt vor Ort zu verrotten. Für Humusaufbau hingegen muss überhaupt erst organische Substanz in den Boden eingebracht werden, z.B. durch organische Düngung, Dauerbegrünung und die Erhaltung lebender Wurzeln über die Wintermonate. [8]
Wir erinnern uns außerdem an das Soil Continuum Model, also dass Humus in Aggregaten gespeichert wird, indem dort der Abbau verlangsamt wird. Das mechanische Aufbrechen der Bodenstruktur durch Pflügen versorgt das Innere der Aggregate wieder mit Luft und Nährstoffen. Dadurch werden die Bodenorganismen wieder aktiv und bauen den Humus zu CO2 ab. Der Einsatz von Pestiziden schädigt die Mikroorganismen im Boden, die in gesunden Böden eine Aggregatbildung durch eine krümelige Bodenstruktur begünstigen. [6]

Aus diesen Gründen kann auch die Umstellung bereits landwirtschaftlicher Flächen auf Energiepflanzenanbau die Humusspeicherung im Boden verringern. Dies liegt zum Beispiel an der Veränderung der Fruchtfolgen und daran, dass für die Erzeugung von Biogas die gesamte Pflanze verwendet wird und kaum organisches Material auf dem Feld zurück bleibt. [4]
Die Klimabilanz von Biomasse
Eine gängige Aussage ist, dass die Menge des bei der Verbrennung von Biomasse freigesetzten CO2 genau der entspricht, die vorher von der Pflanze während des Wachstums gebunden wurde. [11] Somit wäre Biomasse eine klimaneutrale Energiequelle. Doch unter Einbezug der hier betrachteten Prozesse, wird die CO2-Bilanz deutlich komplexer. Pro Energieeinheit wird durch die Verbrennung von Biomasse etwa so viel CO2 freigesetzt wie bei Kohleverbrennung. Um die Energiegewinnung wirklich als klimaneutral bezeichnen zu können, müsste also dieses CO2 durch neues Pflanzenwachstum und Humusaufbau im Anschluss wieder aus der Atmosphäre entfernt werden. [9]
Dies geschieht jedoch aus wirtschaftlichen Gründen nicht unbedingt im entsprechenden Maße. Wälder beispielsweise bieten den größten Ertrag, wenn sie in einem Zyklus von 70 Jahren abgeholzt werden. Die gespeicherte Menge CO2 steigt jedoch bei einem längeren Zeitraum. Durch gesteigerte Holzproduktion wird also weniger CO2 gespeichert oder ggf. sogar freigesetzt. Insbesondere in den nächsten Jahren und Jahrzehnten scheint die CO2-Belastung der Atmosphäre durch solche Maßnahmen eher zu steigen, sie leisten also explizit kein Beitrag zum 1,5 Grad Ziel. [9]
Auch für den Anbau von Energiepflanzen auf Acker- und Grünlandflächen geht diese Rechnung nicht automatisch auf. Der Flächenverbrauch führt ggf. dazu, dass anderswo Wälder gerodet oder Moore bewirtschaftet werden und dadurch dort der CO2 Ausstoß steigt. [10] Mais wird meist in engerer Fruchtfolge und vor allem in Monokulturen angebaut, insbesondere da eine direkte Nähe zur Biogasanlage notwendig ist, um sich für die Energieproduktion zu rentieren. [8]
Sinnvoller Einsatz von Biomasse?
Dabei zeigt eine Studie aus den USA, dass eine ökologische Landwirtschaft auch wirtschaftliche Vorteile mit sich bringt. Dort hatten im Vergleich diejenigen Landwirte einen höheren Gewinn, die durch ihre Anbaumethoden Humusaufbau förderten, da sie weniger Ausgaben für Pestizide, Dünger und Bewässerung sowie höhere Einnahmen für Bio-Produkte hatten. So konnten sie die geringere Produktivität der Flächen ausgleichen. Ob diese Ergebnisse auch für die EU gültig sind, kann daraus nicht mit Sicherheit abgeleitet werden, denn bisher wird durch die Agrarpolitik vorrangig konventioneller Anbau und so indirekt die Verwendung von Agrochemie gefördert. [2]
Es gibt also Möglichkeiten, Biomasse sinnvoll einzusetzen und dadurch tatsächlich CO2 einzusparen. Insbesondere die Nutzung von organischen Reststoffen bietet Chancen. Wird beispielsweise Gülle in einer Biogasanlage vergärt, so verringern sich gleichzeitig Emissionen aus der Tierhaltung und Nährstoffkreisläufe werden geschlossen. [9]
Eine vollständige Klimabilanz von Biomasse unter Berücksichtigung aller Faktoren ist sehr komplex und hängt unter anderem vom regional und global angestrebten Energiemix ab (siehe auch unseren letzten Artikel: Der perfekte Energiemix? Klimaneutral 2040). Die Berücksichtigung der Auswirkungen auf Humusgehalt im Boden zeigt auf, dass Biomasse nicht in sich klimaneutral ist, sondern erst ein ganzheitlicher Ansatz sinnvolle Einsatzgebiete aufzeigt.
Welche Aspekte der Klimabilanz erneuerbarer Energien werden deiner Meinung nach vergessen? Sag es uns in den Kommentaren!